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„Wissen Sie, jede Nana hat ihren Menschen.“
Ein Werkstattbesuch bei Biriney

„Sagen Sie ruhig Biriney zu mir, aber Frau Löschner geht auch, ich bin da nicht so festgelegt. Und Sie finden mich dann im Anbau, ich bin morgen früh am Schleifen“, das sagt sie mir vorab am Telefon. Schon im Hof des alten Anwesens höre ich die Schleifgeräusche, ich trete durch die angelehnte Tür und sehe mich neugierig um. Die Vormittagssonne wirft ihre schrägen Strahlen in den hohen Raum, in der Mitte sehe ich eine große Skulptur und daneben völlig in die Arbeit vertieft, eine Gestalt, eingemummt in dicker Arbeitskleidung. Dichter, heller Staub hüllt beide wie in Nebel ein. Mein Atem steht in der Luft. Es ist eiskalt hier in der Werkstatt, genau wie draußen.

Die Schleifmaschine stoppt. „Da komme ich ja gerade recht. Guten Morgen!“, begrüße ich sie möglichst laut, damit Biriney mich endlich bemerkt. Sie blickt noch immer nicht auf, sondern wischt den frischen Staub von der Skulptur, streift die Handschuhe ab und prüft mit den Fingern die Oberfläche. Glatt, ebenmäßig und samtig sieht sie aus, finde ich.

„Sonderanfertigungen sind das Herz meiner Arbeit.“

Ich trete behutsam näher und umkreise die Figur. Dabei halte ich sicherheitshalber etwas Abstand, denn mir ist, als würde die nackte Frauengestalt sich gleich bewegen. Und doch ist es eine unfertige Rohfigur. „Die ist jetzt nur vorgeschliffen,“ erklärt Biriney, „das eigentliche Schleifen mache ich in den nächsten Tagen von Hand. Erst danach werde ich sie bemalen. Es wird noch einige Wochen dauern bis die Nana fertig ist.“ Ich drehe mich nochmals nach der Figur um.

Ich erfahre, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Ein Kunde aus Genf möchte sie seiner Frau zum 25. Hochzeitstag schenken. Biriney legt nun fürsorglich ein großes, weißes Tuch über die Figur, es wirkt fast zärtlich. Dann schält sie sich aus der Arbeitsjacke, die so dick mit Staub bedeckt ist, dass man ihre ursprüngliche Farbe nur noch erahnen kann. „Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“, fragt sie.

„Kommen Sie hier entlang, da drüben ist übrigens der Lackierraum. Und mein Atelier befindet sich nebenan im Obergeschoss.“

Eine kleine Treppe führt hinauf zum Haupthaus. Mir fallen aufmerksam restaurierte Details auf. Wir setzen uns an den alten Eichenholz-Tisch in der Küche. „Ich finde in Weiß sieht die Nana auch sehr ästhetisch aus“, fange ich an. „Ja, aber gerade diese Nana wird eine besonders bunte Bemalung bekommen. Der Auftraggeber hat mir erzählt, dass seine Frau leidenschaftliche Hobby-Gärtnerin ist. Sie wünscht sich die Farben ihrer Lieblings-Sommerblumen auf der Figur.“ Biriney wärmt ihre Hände an dem türkisfarbenen Kaffeebecher und fährt fort. „Das sind also Kunden, die mir auf Anhieb sehr genau sagen konnten, was ihnen vorschwebt. Das ist nicht immer so.“

Das macht mich neugierig, „Was sind das eigentlich für Menschen, die eine Nana-Figur in Auftrag geben?“ frage ich. „Das lässt sich gar nicht so schnell beantworten. Wissen Sie, jede Nana ist anders, es sind Unikate – genau wie wir. Manche Kunden sind eher zurückhaltend und fragen mich, was ich ihnen empfehlen würde für diesen oder jenen Anlass. Andere sind sehr offenherzig und erzählen mir viel über das, was sie bewegt. Die haben dann schon sehr konkrete Vorstellungen, wie ihre Wunsch-Nana aussehen soll. In vielen Auftrags-Nanas steckt eine halbe Lebensgeschichte drin. Oft suchen Menschen sich eine Nana, wenn sie etwas Herausforderndes durchleben, eine Krise, eine schwere Krankheit oder den Verlust eines geliebten Menschen. Ihre Nana ist wie eine Beschützerin für sie. Oder wie ein Schutzengel, der ihnen beisteht und Kraft gibt.“ Birineys Stimme klingt jetzt sehr bewegt.

„Meistens aber sind es erfreuliche Anlässe, die die Menschen dazu bringen, sich selbst eine Nana zu ‚gönnen‘ oder eine zu verschenken. Zum Beispiel zum Geburtstag, für ein Jubiläum oder bei der Verabschiedung in den Ruhestand. Und dann sind da noch solche Nanas, die eine eher repräsentative Aufgabe erfüllen – klar, die gibt es natürlich auch. Die stehen dann gut sichtbar in den nüchternen Räumen einer Kanzlei, Arztpraxis oder eines Geschäftes. Aber auch da bringen sie Schwung und Farbe rein!“

„Wie ist das eigentlich für Sie, wird es im Laufe der Jahre nicht langweilig immer wieder Nanas zu machen?“ frage ich. „Oh nein, auf keinen Fall. Nana-Figuren sind einfach meine ganz große Leidenschaft. Und jedes Projekt stellt mich wieder vor neue Herausforderungen. Egal ob klein oder groß – ich widme mich ihnen mit ganzem Herzen. Und ich bin ständig dabei, neue Techniken, Materialien und Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln.“

Mein Blick fällt auf ihren linken Daumennagel, der dunkel violett verfärbt ist. Sie bemerkt es, „Hm, ja, das ist wahre Leidenschaft! Natürlich gibt es bei aller Vorsicht auch manchmal Verletzungen. Aber das hindert mich nicht daran weiterzumachen!“ Sie schmunzelt.

„Nanas sind Botschafterinnen“

„Fällt es Ihnen eigentlich schwer, eine fertige Nana abzugeben?“ Sie schüttelt entschieden den Kopf. „Nein, nein, die Nanas werden ja nicht gemacht, um bei mir herumzustehen. Sie sollen ja in die Welt hinausgehen. Jede hat ihre Aufgabe - und jede Nana hat ihren Menschen. Oft merkt man: da haben sich zwei gesucht und gefunden!“ Für manch einen sind die Nanas einfach nur fröhlich-freche Weibsbilder. Aber es sind auch Botschafterinnen.“ Ich muss sie sehr verblüfft angeschaut haben. „Ja, natürlich! Meine Nanas wollen den Ernst des Lebens auch mal beiseite schieben und stehen für das Schöne und Bunte im Leben. Und natürlich verkörpern sie auch die Größe und das Selbstbewusstsein der Frau.

Mein investigativer Trieb ist jetzt richtig wach geworden. „Wie kamen Sie eigentlich darauf, Nanas zu machen? Woher kommt bei Ihnen diese Leidenschaft?“ Aber Biriney hat genug erzählt. „Oh, wissen Sie, das ist eine sehr lange Geschichte. Das erzähle ich Ihnen gerne ein anderes Mal. Aber jetzt muss ich wieder an die Arbeit, da ist noch ein Terminauftrag, der pünktlich fertig werden muss.“

Friederike van Arnen